Düsenjet-Alarm

Kinder sind ein steter Quell der Freude. Keine Ahnung, wer das gesagt hat, aber es gibt viele Momente, bei denen mir dieser Satz in den Sinn kommt und mir – gelinde gesagt – doch ein wenig zu optimistisch erscheint. Diese Woche musste ich daran denken, als ich am Rand des hiesigen Schwimmbeckens saß und wartete, bis mein Sohn seinen Bahnen geschwommen hatte. Es war Vereinsschwimmen und viele Mütter und vielleicht auch ein paar Väter hatten ihren hoffnungsvollen Nachwuchs dort abgegeben, damit er das eine oder andere Schwimmabzeichen nachhause bringt, vielleicht auch nur, damit er eine Zeitlang von zuhause weg ist und müde, sehr müde zurückkommt.

Viele Freiwillige des Alsfelder Schwimmvereins waren vor Ort und wurden offenbar nicht müde, den Kindern die richtige Haltung zu zeigen, sie zu trösten, wenn es nicht klappte oder sie zu motivieren, wenn der Mut sie verließ oder erst gar nicht gekommen war. Alles schön, wenn auch für meine Verhältnisse schon ein wenig zu wuselig. Doch das ganz normale Gewusel war nichts im Vergleich zu der Geräuschhölle, die ausbrach, als am Ende der Stunde noch ein paar Minuten nach Herzenslust gespielt werden durfte. Ein Getobe und Geschreie machte sich breit, wie ich, Mutter von drei Söhnen, es so bisher nicht kannte und wie es im Sommer ansatzweise vom hauseigenen Pool des Nachbargrundstücks zu uns rüberschwappte. Unnötig zu sagen, dass hier wie da Mädchen im Spiel waren, sehr kleine Mädchen im Übrigen. Kinder müssen im Schwimmbad bekanntlich immer ganz furchtbar laut und schrill schreien, um ihre Freude auszudrücken – das ist zumindest von mir empirisch so bewiesen. In welche Höhen sich aber schon kleinste Mädchen auf einer Luftmatratze oder mit einer Badenudel in der Hand schwingen können, das war mir nicht bekannt. Es mag sein, dass auch die Akustik im Schwimmbad das Ihre dazu beigetragen hat, auf jeden Fall gingen mir am Beckenrand die Schreie durch Mark und Bein. Ich zuckte mehrfach heftig zusammen, wenn die Mädchen ihre Freudenrufe ausstießen – woher sie die aus ihren schmächtigen Körperchen nehmen? Keine Ahnung. Im selben Moment wurde mir bewusst, dass die Weltherrschaft der Frauen bisher nur daran gescheitert ist, dass sie sich ihr eigenes Schreipotenzial noch nicht zu Nutze gemacht haben. Ich denke schon, dass wir damit das eine oder andere bewirken könnten, Mädels! Ich hatte Visionen von einer kreischenden Amazonenmacht, vor denen alle Angreifer mit zugehaltenen Ohren kapitulieren müssten. Vielleicht würde auch schon ein bisschen mehr Geschrei im Alltag Wirkung zeigen und Typen wie Weinstein & Co. in die Arme der niedergelassenen Ohrenärzte treiben, wo sie mit Sicherheit gut aufgehoben wären. Aber ich schweife ab.

Mittendrin in dieser Höhle, stoisch, ruhig und gelassen: die Freiwilligen des Schwimmvereins. Kein Zucken durchfuhr sie, als sie aufpassten, dass trotz des Trubels nichts passierte, dass auch die Ruhigeren zu ihrem Recht kamen und dass auch die Draufgänger Platz für die anderen machten. Da mochten die jungen Damen noch so kreischen: Die Crew blieb gelassen. Was nehmen die, fragte ich mich, und: Kann ich das auch haben?

Und wieder einmal durchfuhr mich eine tiefe Bewunderung für Menschen, die sich freiwillig mit vielen Kindern auf einem Haufen abgeben. Das war schon so, als ich früher meine Kinder noch im Kindergarten abgegeben habe und dachte: Wenn mein Tag so anfangen würde, dass dreißig Mütter mir ihre Kinder bringen, bevor sie sich selbst – womöglich in irgendeinem Büro – einen schönen Lenz machen würden, dann vielen Dank. Ich stellte mir vor, wie an einem Wintertag alle dreißig Kinder der Zwergengruppe endlich in Schneeanzügen, Stiefeln, Mützen, Schals und Handschuhen zum Abmarsch bereit waren, als die ersten von ihnen schon wieder auf die kleinen Klos mussten. Das war ja bei uns zuhause mit dreien schon immer so! O Gott! Nachträglich nochmal ein Riesendankeschön. Ich weiß, es kommt spät. Immerhin werden die Erzieherinnen wenigstens bezahlt. Wenn auch nicht nach Dezibelbelastung. (Untersuchungen haben ergeben, dass es in der Kita bis zu 117 Dezibel (dB) laut wird. Zum Vergleich: Ein in 100 m Entfernung startender Düsenjet ist „nur“ 100 dB laut. Das berichtet die Website www.pro-kita-de.)

Ähnlich oder höher dürften die Messungen im Alsfelder Schwimmbad ausfallen. Zeit also für ein Dankeschön an die Mitglieder des Alsfelder Schwimmverein, und wenn wir schon dabei sind, an die tollen Männer und Frauen bei der Alsfelder Feuerwehr, die spätestens nach jeder 24-Stunden-Übung mit 20 Kindern und Jugendlichen einen dreiwöchigen Wellness-Urlaub verdient hätten, an die vielen Trainerinnen und Trainer in Fußball-, Handball- oder anderen Sportvereinen, die geduldigen Damen bei den Faschingsvereinen, die ja bekanntlich nicht nur mit Kindern trainieren, sondern sogar mit Männern, mit Männern! (Man kann halt immer noch eins draufsetzen….) Die Dirigentinnen und Dirigenten verschiedener Chöre und Orchester und alle, die sich kümmern, damit unsere Kinder eine Existenz jenseits von Smartphone und Tablet kennenlernen. Vielen Dank dafür!

Warum heute, werden Sie sich fragen. Ist denn Tag des Ehrenamts oder so?! Nein ist es nicht. Ist mir im Schwimmbad nur mal wieder richtig aufgefallen. Als ich draußen war und Ruhe einkehrte.